Anlässlich der Herbstsession 2022 hat sich der Nationalrat mit dem Systemwechsel bei der Wohneigentumsbesteuerung befasst. Der Nationalrat ist grundsätzlich auf die Vorlage zum Systemwechsel bei der Wohneigentumsbesteuerung eingetreten. Die Vorlage wurde aber für eine weitere Bearbeitung an die zuständige Kommission des Nationalrats (WAK-N) zurückgewiesen. Schaffen wir es noch in dieser Legislatur, den Eigenmietwert abzuschaffen? Was ist aus Ihrer Sicht zu tun zu tun, damit der Systemwechsel endlich erfolgt?
Esther Friedli: Ich setze mich dafür ein, dass der Eigenmietwert noch in dieser Legislatur abgeschafft wird. Daher bin ich Mitglied der Subkommission, welche nun bis im Frühling zu Handen der Wirtschaftskommission des Natonalrates eine mehrheitsfähige Lösung vorlegen muss. Ich setze mich nun ein, dass wir eine Lösung erarbeiten, die den Eigenmietwert abschafft, sowie system- und verfassungskonform ist. Dann bin ich zuversichtlich, dass wir damit auch im Parlament rasch eine Mehrheit finden.
Susanne Vincenz-Stauffacher: Es ist höchste Zeit, dass dieser «alte Zopf» abgeschnitten wird. Ob wir dies noch in dieser Legislatur schaffen, ist leider fraglich, weil die Mehrheit des Nationalrats eine Rückweisung an die Kommission beschlossen hat. Persönlich bedaure ich diese Rückweisung. Ich habe mich für die rasche Weiterbehandlung dieser Vorlage ausgesprochen. Damit die Vorlage schlussendlich mehrheitsfähig ist, müssen wohl oder übel Kompromisse in Sachen Liegenschaftsunterhaltsabzug und Schuldzinsabzug eingegangen werden. Weiteres Konfliktpotenzial birgt die Frage, ob Zweitliegenschaften von dieser Regelung ausgenommen werden sollen.
Generell darf man von einer zunehmenden Beschränkung des Eigentums sprechen: Was unterStänderatswahlen: Auf den Zahn gefühlt Ersatzwahl eines st.gallischen Mitglieds des Ständerates vom 12. März 2023 nehmen Sie in Ihrer politischen Arbeit, um die schleichende Schlechterstellung und Unterhöhlung des Eigentums zu stoppen und den Stellenwert des Eigentums zu verbessern?
Susanne Vincenz-Stauffacher: Eigentum ist die Basis für Freiheit und Wohlstand. Das Eigentum ist denn auch in unserer Bundesverfassung gewährleistet. Die Eigentumsgarantie gilt es immer wieder einzufordern und zu verteidigen. Persönlich berücksichtige ich dies mit meinem politischen Kompass: ermöglichen statt verhindern, vorwärtsmachen statt blockieren, vernetzen statt abschotten – sei es zum Beispiel im Steuerrecht mit der Abschaffung des Eigenmietwerts, im Raumplanungsrecht, im Mietrecht oder im Bereich Energie und Klima, wo ich Verbote ablehne und mich stattdessen für Anreize einsetze.
Esther Friedli: Der Erhalt des Eigentums ist für mich zentral. Ich kämpfe immer dafür – nicht nur im Bezug auf das Grundeigentum. Denn der Erhalt des Eigentums und der Wirtschaftsfreiheit sind zentrale Pfeiler unseres Wohlstandes. Leider wollen gewisse politische Kreise die Eigentumsgarantie immer mehr beschränken: Sei dies mit dem Verbandsbeschwerderecht, wo die Handlungsfähigkeit der Eigentümer beschnitten wird oder mit dem neuen «Energiegesetz», wo unter dem Deckmantel des «Klimaschutzes» die Eigentümer mit Verboten und neuen Vorschriften belastet werden. Ich stehe für die Stärkung des Eigentums – und zwar überall.
Die Versorgungslage im Energiebereich ist ungenügend, die Auslandabhängigkeit gross, die Preisentwicklung an den Energiemärkten äusserst volatil. Viele Haus- und Grundeigentümer fürchten sich gerade im Winter vor einer Strommangellage. Derweil werden durch die Förderung des Heizens mit Wärmepumpen sowohl die Wärmeerzeugung wie auch die Mobilität elektrifiziert. Kann diese Rechnung überhaupt aufgehen? Wo müssten im Energiebereich und insbesondere bei der Energieerzeugung Ihrer Meinung nach Schwerpunkte gesetzt werden?
Esther Friedli: Jetzt kommt zum Vorschein, dass die Energiestrategie 2050 ein Traumschloss ist anstatt eine sichere Stromversorgung gewährleistet. Seit Monaten diskutieren wir über mögliche Strommangellagen. So kann es nicht weitergehen. Daher müssen nun raschmöglichst Massnahmen ergriffen werden, um die Schweiz mit genügend einheimischem und kostengünstigem Strom zu versorgen und die Auslandabhängigkeit zu reduzieren. Ich stehe da für eine technologieoffene Stromversorgung. Dazu gehört der Ausbau der Wasserkraft, der neuen erneuerbaren Energien und der Erhalt der bestehenden Kernkraftwerke. Aber wir werden nicht darum herumkommen, über das aktuelle Kernkraftwerksverbot zu diskutieren.
Susanne Vincenz-Stauffacher: Aktuell geht die Rechnung nicht auf. Wir müssen schnell und bestimmt handeln. Das Tempo beim Ausbau der erneuerbaren Energien und der Netz- und Speicherkapazitäten muss massiv erhöht werden. Dazu gehört neben marktwirtschaftlichen Anreizen die Straffung der Bewilligungsverfahren. Ebenfalls entscheidend ist in diesem Zusammenhang die angemessene Gewichtung des Interesses der Versorgungssicherheit im Vergleich zu den Interessen von Natur- und Heimatschutz. Weiter muss die Energieeffizienz gesteigert werden. Wichtig ist auch der Energiemix: da wir mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien im Rückstand sind, kommt der Kernenergie nach wie vor eine wichtige Rolle zu. Langfristig dürfen aus meiner Sicht keine Technologieverbote bestehen.
Als Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative wurde das neue «Bundesgesetz über die Ziele im Klimaschutz, die Innovation und die Stärkung der Energiesicherheit» (Klimaschutz-Gesetz) beschlossen. Wie ist Ihre Haltung zu diesem Gesetz bzw. Gegenvorschlag?
Susanne Vincenz-Stauffacher: Aus rein liberaler Sicht gibt es im indirekten Gegenvorschlag, dem Klimaschutz-Gesetz, Komponenten, die nicht zu Freudenstürmen hinreissen. Gesamthaft betrachtet ist er aber ein tragfähiger und wichtiger Kompromiss, der die Forderung der Gletscherinitiative von Netto-Null 2050 zwar im Grundsatz aufnimmt, aber weit weniger einschneidend ist. Wir verzichten damit beispielsweise auf ein generelles Verbot von fossilen Brennstoffen. Weiter müssen Massnahmen, um das Netto-Null-Ziel bis 2050 zu erreichen, wirtschaftlich tragbar sein. Bei der Umsetzung der Ziele ist die wichtige Förderung von Innovationen hin zur Klimaneutralität sowie die Unterstützung von Rand- und Bergregionen vorgesehen. Dies erscheint mir zielführend und richtig.
Esther Friedli: Das Parlament hat im vorauseilenden Gehorsam die Gletscherinitiative – obwohl Volk und Stände gar nicht darüber abgestimmt haben – mit einem indirekten Gegenvorschlag schon umgesetzt. Das geht so nicht. Das neue Energiegesetz sieht Netto-Null Treibhausgasemmissionen bis ins Jahr 2050 vor. Dabei zielt das Gesetz vor allem auf den Gebäudebereich, obwohl hier schon sehr viel gemacht wurde. Alle Hauseigentümer würden verpflichtet, ihre Bauten zu sanieren – vor allem wenn sie etwas älter sind. Das hätte massive finanzielle Konsequenzen für die Hauseigentümer zur Folge. Ich bin froh, dass der HEV Schweiz uns im Kampf gegen dieses neue Gesetz unterstützt. Verbote und vom Staat vorgeschriebene neue finanzielle Ausgaben für die Bürgerinnen und Bürger sind hier nicht der richtige Weg.
Mit dem Projekt Engpassbeseitigung St.Gallen gehen der Bund, die Kantone St.Gallen und Appenzell Ausserrhoden, die Stadt St.Gallen und die Gemeinde Teufen die Verkehrsprobleme gemeinsam an. Welche Bedeutung kommt diesem Vorhaben aus Ihrer Sicht zu?
Esther Friedli: Das ist ein sehr wichtiges Projekt, das ich unterstütze. Wir müssen neben der Bahn- auch die Strasseninfrastruktur in der Ostschweiz ausbauen. Ich setze mich dafür ein, dass der Bund das Projekt so rasch wie möglich vorantreibt und auch finanziell unterstützt.
Susanne Vincenz-Stauffacher: Dieses Projekt hat für mich eine hohe Bedeutung. Es hat das Zeug dazu, ein Vorzeigeprojekt für überregionale Zusammenarbeit zu werden. Diese erachte ich im Bereich Mobilität als sehr wichtig. Ein leistungsfähiges Verkehrsnetz in der Region Ostschweiz ist in unser aller Interesse. Es ist deshalb unerlässlich, dass jetzt auch bauliche Massnahmen in Angriff genommen werden. Damit können wir die Stadt St.Gallen vom Verkehr entlasten, die Lebensqualität in den Quartieren erhöhen und für ein besseres Nebeneinander von Individual- und Langsamverkehr sorgen.
Die Erreichbarkeit in der Ostschweiz ist trotz vieler Anstrengungen nach wie vor ungenügend. Die Fahrzeiten sind sowohl auf Strasse wie Schiene im Vergleich zu anderen Landesteilen unvorteilhaft. Wo müsste der Kanton St.Gallen vermehrt Akzente setzen? Wieso werden wir in Bern nicht gehört, wenn es um grössere Infrastrukturvorhaben im Verkehrsbereich geht?
Susanne Vincenz-Stauffacher: Die Erreichbarkeit ist ein entscheidender Faktor für die Standortattraktivität einer Region. In diesen Fragen muss man meiner Auffassung nach gesamtheitlicher denken, sowohl aus Sicht der Regionen als auch aus Sicht der verschiedenen Mobilitätsformen. Hier haben wir Nachholbedarf. Zwar können wir immer wieder Erfolge verbuchen, wie beispielsweise aktuell den Autobahnanschluss Witen in Rorschach, der die umliegenden Ortschaften vom Durchgangsverkehr befreien wird. Überregional wie auch innerkantonal stehen jedoch diverse Projekte nach wie vor in der Warteschleife. Hier müssen wir geeint und mit noch mehr Nachdruck auftreten, um für unsere Ostschweizer Interessen einzustehen. Beispiele dafür gibt es genug: die Pendlerströme zwischen der Ostschweiz, Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein müssen verflüssigt werden, die Fahrzeiten zwischen St.Gallen und Zürich sind nach wie vor zu lang und die Verbindung zwischen den Rheintalautobahnen oder der Zubringer zum Appenzellerland lassen weiterhin auf sich warten.
Esther Friedli: Wir müssen uns hier mehr ein Vorbild an der Westschweiz nehmen: Diese stehen über alle Partei- und Kantonsgrenzen hinweg für ihre regionalen Infrastrukturprojekte ein. Ich stehe für einen selbstbewussten Kanton St.Gallen, der seine Anliegen – vor allem auch im Infrastrukturbereich – klar einbringt und dafür auch Mehrheiten sucht. Und zwar ich der ganzen Ostschweiz. Schon bald werden wir im Parlament über das nächste nationale Strassenbauprogramm STEP entscheiden. Ich werde mich da für die Berücksichtigung der Ostschweizer Projekte einsetzen.
Es gibt politische Bestrebungen, dass künftig auf Hauptstrassen generell Tempo 30 gelten soll und Tempo 50 die Ausnahme ist. Auch der Bundesrat hat die Bestimmungen zum Einführen von Tempo 30 in Quartierstrassen zum Jahresbeginn erleichtert. Parallel dazu wird versucht, die Lärmschutzmassnahmen zu verschärfen, was Wohnnutzungen entlang von Strassen immer stärker einschränkt. Sind wir mit dieser Entwicklung auf dem richtigen Weg?
Esther Friedli: Nein. Innerorts sollte grundsätzlich generell Tempo 50 gelten. Tempo 30 soll nur dort gelten, wo dies aufgrund der Sicherheit notwendig ist. Dies ist z.B. im Umfeld von Schulen oder Kindergärten der Fall. Die Initianten von Tempo 30 wollen den motorisierten Individualverkehr aus den Städten bringen. Das hätte aber gerade auch für das Gewerbe und die Wirtschaft viele negative Folgen. So würden z.B. Arbeits- und Lieferwege länger.
Susanne Vincenz-Stauffacher: Der Schutz der Bevölkerung vor Lärm ist zweifelsohne ein wichtiges Anliegen. Die Behörden haben aber auch weitere öffentliche Interessen zu wahren als nur den Lärmschutz. Insbesondere die Bedürfnisse der Wirtschaft und der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die auf ein Auto angewiesen sind, werden aus meiner Sicht nicht immer genügend berücksichtigt. Tempo 30 auf Hauptstrassen stört den Verkehrsfluss und verlängert die Fahrzeiten, was die Standortattraktivität beeinträchtigt. Auch für den öffentlichen Verkehr sehe ich hier gewichtige Nachteile, wie zum Beispiel Zeit- und damit Attraktivitätsverlust oder die Kosten für den Angebotsausbau. Mir ist es zudem wichtig, dass wir aufhören, den Individualverkehr und den öffentlichen Verkehr gegeneinander auszuspielen. Entscheidend ist es, dass jeder und jede gemäss ihren Bedürfnissen selbst entscheiden kann, ob er oder sie das Auto oder den Bus nimmt. Auch die Verschärfung der Lärmschutzmassnahmen entlang von Strassen sehe ich kritisch. Zentrales Wohnen hat sowohl Vor- und auch Nachteile und wer zentral in einer Stadt wohnt, muss aus meiner Sicht mit gewissen Lärmemissionen rechnen.